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Tasting: Cask Strength 2016

Tasting Cask Strength 2016

Der Sommer ist vorbei. Auf den Straßen stauen sich die Urlaubsrückkehrer, die Sonne scheint nur noch in sonnenbrandfreundlichen Dosen und die Temperaturen lassen einen Abend auf dem Balkon nur noch in Jacke und langer Hose zu. Wenn überhaupt.

Stattdessen kündigt sich so langsam der Herbst an, und mit ihm startet Michaels Tastingsjahr in die Rückrunde. Es gibt zwar den einen oder anderen Bekannten, der gar nicht mitbekommen haben will, dass ich beim Whisky eine Sommerpause gemacht habe (hab ich auch nicht, aber das muss ja keiner wissen), aber auf ein gepflegtes Tasting freue ich mich ohnehin jahreszeitenübergreifend ...

Für den Rückrundenauftakt hatte sich Michael einen wirklichen Knaller einfallen lassen: Fassstärke! Und als wäre das noch nicht genug, waren fünf der sechs Whiskies des Abends auch noch Einzelfassabfüllungen - die Königsdisziplin für jeden Whiskyliebhaber. An gewohnter Stätte fanden sich alte Freunde und ein paar Neulinge zusammen, und irgendwann konnte es losgehen.

  • Glenfarclas 105 10 yrs - 60%, Speyside. Ja, auf dem hinteren Etikett war das Alter vermerkt. Das ist bei den aktuellen Versionen nicht mehr der Fall. Michael hatte beim Griff ins Regal nicht die nötige Aufmerksamkeit walten lassen, so dass dieses Schätzchen in unseren Gläsern landete. Gut für uns - und auch Michael hat sich nach einem kurzen Augenblick des Erschreckens gefreut, den Whisky mit uns teilen zu können. Der Glenfarclas war die einzige Standardabfüllung des Abends, aber ein Standardwhisky ist das beim besten Willen nicht.

    • Colour: M9 (Terracotta)

    • Nose: Der erste Eindruck ist sehr stark. Kein Wunder bei 60% Alkohol, den übersieht (bzw. überriecht) man nicht. Wenn er sich ein wenig verzogen hat, erscheinen Gewürze, süße Früchte, Rosinen, und Sherry. Aber auch Holz, Holz und frischer Apfel sind präsent und komplettieren die anderen Noten zu einer sehr runden und ausgewogenen Komposition. Wenn verschiedene Fässer vermählt werden, dann hat der Blender die Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen, und das ist ihm hier (zumindest in der Nase) hervorragend gelungen.

    • Taste: Auf der Zunge gehen Bourbon und Sherry dann getrennte Wege. Im vorderen Bereich ist der Bourbon mit seinen Holz- und (weniger) Vanillenoten, hinten finde ich den Sherry (süß), die Rosinen und die (jetzt nicht mehr frischen) Äpfel. Eine so klare Trennung der Geschmacksnoten auf definierte Zungenbereiche habe ich noch nie gehabt. Sehr interessant. Mit ein paar Tropfen Wasser (im Mund verdünnt) wird der Glenfarclas dann sehr süß, die Holznoten verschwinden, der Sherry dominiert. Diesen Effekt kenne ich schon von anderen Whiskies (z.B. die Fassabfüllungen von Bunnahabhain), und nachdem die erste Sensation weg ist, werden mir die Whiskies dann oft zu ähnlich. Also lieber etwas weniger, dafür aber unverdünnt.

    • Finish: Der Abgang schleßlich ist lang und trocken. Für seinen wirklich moderaten Preis ist das ein Whisky, den man immer zu Hause haben sollte. Für sich selbst natürlich, aber auch für weniger whiskyerfahrene Gäste, denen man den berühmten "nächsten Schritt" näherbringen will, ohne ihnen gleich Rauch, die Ecken und Kanten von Einzelfässern oder gleich alles zusammen aufzutischen.

    • Der Whisky in der Whiskybase: 4002
  • Craigellachie 7yrs - 55,5%, Speyside, destilliert: November 2007 - abgefüllt: Dezember 2014, Sherry Hogshead, bottle #15/20. Craigellachie gehört nicht gerade zu den bekanntesten Destillerien. Dabei produziert man dort mit 2,7 Millionen Litern Alkohol durchaus nicht wenig. Aber bis 2014 gab es nur eine offizielle Abfüllung. Also eine versteckte Schönheit unter den Destillerien? Wir hatten eine unabhängige Abfüllung in der minimalen Auflage von 20 (zwanzig!) Flaschen im Glas. OK, aus dem Fass wurden wohl noch mehr Flaschen abgefüllt, aber tatsächlich haben ganze zwanzig Flaschen "unser" Etikett bekommen. Seltenheit macht eben doch Spaß ...

    • Colour: D1 (Pariser Rot)

    • Nose: Auch dieser Whisky riecht zu Anfang recht stark und süß. Neben Honig, Ananas, Birne (die sich im Laufe der Zeit deutlich entwickelt) und Kirsche ist auch eine deutliche Holznote vorhanden. Sherrynoten, obwohl bei dieser intensiven Färbung zu erwarten, sind zwar da, aber nicht sehr intensiv.

    • Taste: Auch auf der Zunge findet sich Holz, und das wird nach einer Weile bitter. Nicht unangenehm, eher würzig und etwas trocken. Auch süße Noten sind da: Malz, Frucht und Honig. Bemerkenswert ist, wie lange der Craigellachie auf der Zunge präsent ist.

    • Finish: Und mit der Verweildauer auf der Zunge ist der Genuss noch lange nicht vorbei. Auch das Finish ist lang, bsonders die fruchtigen Noten und der Honig halten sich noch lange.

    • Der Whisky in der Whiskybase: 64037
  • BenRiach 17 yrs - 51,9%, Speyside, destilliert: 08.07.1998, abgefüllt: Oktober 2015, Cask #5952, PX Sherry Puncheon Finish, triple distilled, 682 bottles. Und noch ein Sherryfass. Wieder aus der Speyside, diesmal von der Brennerei BenRiach, die für ihre vielfältigen Experimente mit verschiedensten Fässern bekannt ist. Hier hatten wir zusätzlich die Besonderheit, dass der Whisky dreifach destilliert wurde, wie es in Irland meistens (aber nicht immer) und in Schottland selten (aber eben nicht nie) der Fall ist.

    • Colour: M9 (Terracotta)

    • Nose: Der Whisky riecht sehr leicht, kaum etwas ist von den immerhin über 50% Alkohol zu bemerken. Die Geruchswelt erinnert an eine Blumenwiese mit ihren vielfältigen Noten von Blumen und Gräsern. Danach macht sich dann aber auch der Sherry bemerkbar, mit Anklängen an Rosinen und den klassischen Rumtopf. Und irgendwo sind auch noch Gewürznoten, vielleicht Nelken.

    • Taste: Im Gegensatz zum leichten Geruch ist der Antritt auf der Zunge intensiv, wenn auch immer noch sehr weich - vielleicht eine Folge der Dreifachdestillation. Süßer Sherry, Lakritz, Schokoladennoten, cremige Textur. Auf dem Tisch steht übrigens wie immer ein Teller mit dunkler Schokolade, der zu Experimenten einlädt. Mit einem kleinen Stück davon hat man das Gefühl, man hätte ein Mon Cherie im Mund. Das hier ist - vom leichten Aroma bis zur Schoko-Explosion im Mund - der wandlungsfähigste Whisky des Abends.

    • Finish: Der Abgang ist mittellang und bringt keine neuen Aromanuancen mehr. Aber die hatten wir ja auch vorher schon zur Genüge.

    • Der Whisky in der Whiskybase: 75411
  • Mannochmore 14 yrs - 56,5%, Speyside, Signatory Cask Strength Collection, destilliert: 07.11.1991, abgefüllt: 13.06.2007, South African Sherry Butt #16596, 590 bottles. Die Whiskies aus Signatory's Cask Strength Collection sehen in ihren bauchigen Flaschen nicht nur opulent aus, in aller Regel erfüllt der Inhalt auch die Erwartungen, die der schöne Anblick weckt. Hier hatten wir ein ganz besonderes Fass, nämlich ein Sherryfass aus Südafrika. Die meisten Sherryfässer, die in der Whiskyindustrie verwendet werden, kommen ja aus Spanien, aber dieses hier hatte einen deutlich weiteren Weg hinter sich. Grund genug für den Whiskyfan, sich auf eine Probe daraus zu freuen. Mal sehen, ob man Unterschiede schmeckt.

    • Colour: M8 (Kupfer), vielleicht etwas heller

    • Nose: Der Mannochmore ist der hellste der Sherrywhiskies heute abend. Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich um einen trockenen Sherry gehandelt hat, was der Geruch durchaus nahelegt. Da ist wenig von der sonst typischen Süße oder den Noten von Rumtopf oder Rosinen. Es dominieren eher fruchtige Noten (Pfirsich!) und Zitrusaromen. Außerdem ist da Lösungsmittel, es erinnert an Kleber. Und im Vergleich zu den vorherigen Whiskies ist die Nase recht zurückhaltend.

    • Taste: Diese Zurückhaltung legt er allerdings auf der Zunge schnell ab. Hier ist er scharf! Aber auch süß. Und herb. Und ein bischen bitter. Na, das ist mal eine Zusammenstellung. Kaum konkrete Aromen, nur die Basisgeschmacksrichtungen. Ich bin etwas ratlos und versuche es mit einem Tropfen Wasser. Und ja, jetzt öffnet er sich mehr. In der Nase wird er deutlich fruchtiger, und auch auf der Zunge ist jetzt etwas mehr zu entdecken. Die ursprünglichen Zitrusaromen aus der Nase entwickeln sich auf der Zunge zu so etwas wie Pampelmuse. Und das passt ja auch dazu, dass vorher süße, herbe und bittere Noten da waren.

    • Finish: Mittellang und unspektakulär.

    • Der Whisky in der Whiskybase: 1240
  • Bruichladdich 10 yrs - 56,6%, Islay, Whisky Time Frankfurt 2016, destilliert: 16.06.2005, abgefüllt: 18.08.2015, Barrel #536. Im letzten Drittel des Abends wendeten wir uns nun von der Speyside einer anderen prominenten Whiskyregion Schottlands zu: der Insel Islay. Hier hatten wir einen - nicht eben typisch für diese Region - ungetorften Vertreter im Glas, aus der Destillerie Bruichladdich. Es handelte sich um eine Sonderabfüllung für die Whisky Time Frankfurt 2016, eine kleine aber feine Messe, die ein lokaler Händler mit viel Engagement auf die Beine stellt. Mein erster Besuch steht noch aus. Ich hoffe, dass ich das im nächsten Jahr nachholen kann.

    • Colour: M5 (Senf)

    • Nose: Der Farbe nach (und auch aus der Fasstypbezeichnung "Barrel" zu schließen) war hier eindeutig kein Sherry im Spiel. Kaum überraschend, dass uns zunächst einmal Holz in die Nase steigt. Das Holz riecht allerdings nicht bitter, eher feucht (frisch), dazu leicht medizinisch. Heu ist da, vielleicht Mist - was keineswegs negativ gemeint ist, es soll eher die Bilder von Natur und Landwirtschaft beschreiben, die mir dabei durch den Kopf gehen. Diese Geruchswelt geht dann über in süßere und fruchtigere Aromen: Karamell, Honig, Bienenwachs, Zimt(?), Apfel, Calvados.

    • Taste: Auf der Zunge finden wir die Aromenkomposition aus der Nase wieder, und das Holz, das in der Nase zunächst in den Hintergrund geraten war, ist wieder recht prominent da. Dazu gesellt sich die Trockenheit, die oft mit Holzaromen einhergeht.

    • Finish: Der Abgang ist mittellang, die Trockenheit der Zunge setzt sich hier fort.

    • Der Whisky in der Whiskybase: 82586
  • Caol Ila 11 yrs - 59,6%, Islay, The Angels's Share, destilliert: 2003, abgefüllt: 2014, Bourbon Barrel, 150 bottles. Den Abschluss des Abends machte wiederum ein Vertreter von Islay, und diesmal war es ein klassisch getorfter Whisky. Und doch wieder eine Besonderheit. Dieser Whisky wurde als Charity Bottling für einen guten Zweck, nämlich die Unterstützung für das Kinderhospiz Bärenherz in Leipzig abgefüllt.

    • Colour: M6 (Ocker)

    • Nose: Hier ist nun Rauch wahrzunehmen, nicht soviel, dass er die anderen Aromen erschlägt, aber doch deutlich. Der Rauch erinnert dabei eher an offenes Holzfeuer als an die klassischen Torfnoten. Dazu finden sich Gewürze, Apfel, (greäucherter) Speck und allerlei maritime Noten, von Salz über Gischt bis zum Seetang. Diese Seenoten sind nur wenig als separate Aromen wahrnehmbar, aber der Gesamteindruck ist so als stehe man irgendwo am Meer.

    • Taste: Auch auf der Zunge finden wir den Rauch wieder, ebenso wie Salz und Seetang, diesmal etwas besser separierbar. Auch die Gewürze sind noch da, jedoch spürbar weniger intensiv als in der Nase.

    • Finish: Der Abgang ist schön lang und glänzt zudem noch mit einem Hauch von Vanille, die sich in der Atemluft bemerkbar macht. Ein Abschluss, der zu dem gesamten Whisky passt: irgendwie sympathisch. Was ich von Caol Ila gar nicht erwartet hatte. Normalerweise finde ich auf Islay leicht andere Whiskies, die mir besser schmecken als Caol Ila. Aber dieser hier hat mich positiv überrascht. Und solche Überraschungen lässt man sich gerne gefallen.

    • Der Whisky in der Whiskybase: 62164

Fazit des Abends: Es war wieder mal ein gelungenes Tasting mit tollen Whiskies, toller Moderation und tollen Gästen. Und obwohl Fassstärke ganz sicher kein "Anfängerthema" ist, haben sich auch diesmal wieder einige Gäste zu uns "getraut", die noch nie zuvor ein Whiskytasting besucht hatten. Ich würde mich freuen, wenn es nicht das einzige bleibt. Wir jedenfalls kommen wieder. Aber alles andere würde man mir ja sowieso nicht glauben ...

Zum Veranstalter gehts hier: malt'n'taste

Tasting Cask Strength 2016
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